Gewittertierchen und Mineralwasser

Hermann Brezger

 

Eine außergewöhnliche Verbraucherbeschwerde zu einem Mineralwasserprodukt wurde im August 2017 zur Untersuchung ans Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Sigmaringen angeliefert.
Im Bereich des Schraubdeckels mehrerer Mineralwasserflaschen wurden vom beschwerdeführenden Verbraucher schwarze Bestandteile festgestellt und die Mineralwasserprobe aufgrund dieses Sachverhaltes an die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde übergeben.

 

Bei der Verkaufsstelle des Mineralwasserproduktes wurden von der Lebensmittelüberwachungsbehörde Vergleichsproben dieser Mineralwassermarke aus identischer Charge erhoben und auch zur Untersuchung übergeben.
Tatsächlich befanden sich, sowohl bei den Beschwerde- als auch bei den erhobenen Vergleichsproben, zwischen dem Schraubverschluss und dem Glasgewinde, also nahezu an der Ausgussöffnung der Flaschen, jeweils mehrere schwarze, zum Teil noch lebende, ca. 2 mm große, längliche Insekten (Bild 1, Vergrößerung Bild 2).

 

                                     Mineralwasserflasche mit Insekten
                                      Bild 1: Gewinde einer Mineralwasserflasche der Beschwerdeprobe   

 

 

                                     Mineralwasserflasche mit Insekten

                                    Bild 2: Vergrößerung des Gewindes von Bild 1

 

Beim direkten Genuss des Mineralwassers aus der Flasche konnte eine unbeabsichtigte Aufnahme dieser Insekten nicht ausgeschlossen werden. Auch beim Eingießen in ein Glas war eine Verunreinigung des Mineralwassers im Glas durch herabfallende Tiere möglich. Daraus ergab sich sowohl für die Beschwerde- als auch für die Vergleichsprobe eine Beanstandung als von ekelerregender Beschaffenheit. Die Verbraucherbeschwerde war durchaus berechtigt.
Über die mikroskopische Untersuchung wurden diese Insekten als Thripse identifiziert (Bild 3). Sie werden auch unter den Namen „Fransenflügler“, „Blasenfüßer“ oder „Gewittertierchen“ geführt.
Die meist dunklen Insekten tragen an ihren Beinen Haftblasen ("Blasenfüßer") und ihre schmalen Flügel sind von Fransenhaaren gesäumt ("Fransenflügler").
 
                                        Fransenfluegler

                                        Bild 3: ein Fransenflügler und Gewittertierchen

Die Bezeichnung Gewittertiere oder Gewitterfliegen resultiert in ihrem oft in Massenschwärmen beobachtbaren Auftreten an schwülen Sommertagen. Thrips-Forscher nehmen als Ursache ein physikalisches Phänomen an. So verändert sich in der Nähe elektrisch stark aufgeladener Gewitterwolken auch das elektrische Feld der Atmosphäre, wodurch diese kleinen Insekten zur Landung gezwungen werden könnten. Diese verkriechen sich dann in allen möglichen Verstecken
(siehe Bild 1).

Genau die bezeichnete Wetterlage – nämlich schwüles Sommerwetter mit Gewitterneigung - bestand im Zeitraum als das Mineralwasser gekauft wurde. Wie die Ermittlungen der Lebensmittelüberwachungsbehörde ergaben, wurde das Mineralwasser bei der Verkaufsstelle tatsächlich über einen längeren Zeitraum im Freien gelagert, woraus sich die "Besiedlung" der Mineralwasserflaschen durch die Thripse stimmig erklären ließe.

 

Literatur

BLV Bestimmungsbuch 26 "Tierische Schädlinge und andere ungebetene Tiere in Haus und Lager"; Henri Mourier, Ove Munding; BLV Verlagsgesellschaft München, Bern, Wien, 1979; ISBN: 3-405-12020-9

 

Weitere Links

www.scinexx.de_wissenswert
Fransenflügler

 

 

Artikel erstmals erschienen am 14.03.2018