Listerien - wie riskant ist Tiefkühlgemüse?

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Susann Janowski

 

Tiefkühlgemüse, hauptsächlich gefrorener Mais, wird als wahrscheinliche Quelle eines größeren Ausbruchs von Listeria monocytogenes gesehen, bei dem seit 2015 Österreich, Finnland, Dänemark, Schweden und das Vereinigte Königreich betroffen war. Durch den Einsatz der Ganzgenomsequenzierung wurde ein ungarischer multinationaler Hersteller für Tiefkühlgemüse als Verursacher identifiziert [1]. Ende Juni 2018 wurde schließlich die Produktion durch die ungarischen Behörden gestoppt und der Rückruf einzelner Produkte im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes angeordnet. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) hat diesen Vorfall zum Anlass genommen durch ein landesweites Sonderprogramm zur Untersuchung auf Listerien in Tiefkühlgemüse das Gefährdungspotential für die Verbraucher zu überprüfen. Die Untersuchungen fanden am CVUA Stuttgart statt und führten zu erfreulichen Ergebnissen.

 

Abb. 1 (Archivbild): Tiefkühlgemüse in einer Porzellantasse, Foto: photosforyou/Pixabay, CC0 Public Domain.

Abb. 1 (Archivbild): Tiefkühlgemüse, Foto: photosforyou/Pixabay, CC0 Public Domain

 

Was wurde untersucht?

Im Rahmen des Sonderprogramms 2018 wurden 41 Proben Tiefkühlgemüse (TK-Gemüse), darunter tiefgefrorene Gemüsemischungen (z.B. „Kaisergemüse“) sowie sortenreines TK-Gemüse (z.B. Mais, Karotten, Erbsen), untersucht. Ergänzend dazu wurden Ergebnisse von 40 vergleichbaren, auf Listerien untersuchten Proben „Gemüse- und Gemüseerzeugnisse“ (roh, auch nicht-tiefgekühlt) ab 2010 herangezogen. Da besonders Mais im Zusammenhang mit den jüngsten Erkrankungsfällen steht, ist in Tabelle 1 das Vorhandensein von Mais dargestellt. Soweit bekannt, stammen die untersuchten Proben größtenteils von deutschen Herstellern. Es waren allerdings auch 2 Produkte des vom Rückruf betroffenen ausländischen Herstellers darunter, jedoch nicht die explizit zurückgerufenen Sorten. Wichtig zu wissen ist hierbei, dass das Ursprungsland (in dem die Rohware produziert/kultiviert wurde) keineswegs dem des Herstellerlandes (durch das die Ware weiter verarbeitet, verpackt oder in den Verkehr gebracht wurde) entsprechen muss.

 

Tabelle 1. Untersuchte Proben auf Listerien
Die Auflistung zeigt den Probenumfang des Sonderprogramms 2018 und der vergleichbaren Proben 2010–2018 unter Berücksichtigung des Vorhandenseins von Mais.
   
Sonderprogramm 2018
2010–2018
   
Probenanzahl
Gemüsemischungen Mit Mais
10
0
Ohne Mais
9
11
Sortenreines Gemüse Mais
2
0
Anderes als Mais
20
29
Summe  
41
40

 

Listerien und ihr Risiko

Erreger und Infektion

Die humane Listeriose wird durch ein grampositives Stäbchenbakterium, Listeria monocytogenes ausgelöst. Es gehört zur Gruppe der Listerien, die vor allem in tierischen Ausscheidungen, im Abwasser und im Erdboden zu finden sind. Die Listeriose ist prinzipiell eine lebensmittelbedingte Infektionskrankheit, die in der Regel auf mangelhafte Hygiene im Lebensmittelbetrieb zurückzuführen ist. Das Krankheitsbild beim Menschen hängt oft vom Gesundheitszustand des Patienten ab. Immunkompetente Personen überstehen eine Infektion häufig symptomlos oder mit einer uncharakteristischen, fieberhaften Reaktion. Gefahr besteht vor allem für abwehrgeschwächte Personen wie Neugeborene, alte Menschen, Patienten mit chronischen Erkrankungen, Transplantierte und Schwangere. Bei diesen Personen kann es zu einer Blutvergiftung und Gehirn- oder Gehirnhautentzündung kommen und Infektionen können sogar tödlich verlaufen. In der Schwangerschaft besteht die Möglichkeit, dass auch das ungeborene Kind infiziert wird und es zu einer Früh- oder Fehlgeburt kommt. Infizierte Neugeborene bekommen häufig eine Gehirnhautentzündung und können schwere Schäden davontragen.

Welches Risiko besteht?

Ab welchem Keimgehalt ein mit Listeria monocytogenes kontaminiertes Lebensmittel gefährlich wird, hängt vom Bakterien-Stamm und dem Immunzustand der betroffenen Person ab. Schwerverlaufende Erkrankungen sind jedoch auch schon im Zusammenhang mit sehr niedrigen Keimzahlen (< 100 KbE/g) beschrieben.

In Deutschland wurden im Jahr 2017 beim Robert Koch-Institut (RKI) 770 Listeriose-Fälle gemeldet, wobei im Jahr 2016 eine Infektion zu 7 % tödlich verlief. Damit gehört die Listeriose zu den Erkrankungen mit der höchsten Sterblichkeitsrate unter den meldepflichtigen Krankheiten [2]. Seit Jahren wird ein deutlicher Anstieg der Fallzahlen beobachtet [3,4].

Obwohl Infektionen mit Listerien vergleichsweise selten auftreten, rechtfertigt der teils folgenschwere Krankheitsverlauf strenge mikrobiologische Kontrollkriterien. So sind durch die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 Lebensmittelunternehmer gehalten eine Kontamination von Lebensmitteln mit Listerien zu vermeiden. Im Rahmen von Eigenkontrollmaßnahmen müssen sie sicherstellen, dass verzehrfertige Lebensmittel während der Haltbarkeitsdauer nicht mehr als 100 KbE/g Listeria monocytogenes enthalten. Bei Lebensmitteln für besonders empfindliche Personengruppen wie z. B. Säuglingsnahrung besteht sogar die Nulltoleranz.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) schätzt, dass ein Drittel der Listeriose-Fälle auf das Wachstum von Listeria monocytogenes in Lebensmitteln zurückzuführen ist, die zu Hause zubereitet oder (auch im Kühlschrank) gelagert wurden [5]. Zudem seien 90 % der Erkrankungen auf den Konsum von verzehrfertigen Lebensmitteln zurückzuführen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt daher die im Merkblatt „Schutz vor Lebensmittelinfektionen mit Listerien“ genannten Regeln zur Küchenhygiene und Zubereitung von Speisen unbedingt einzuhalten [6].

 

Die mikrobielle Untersuchung auf Listerien erfolgte mit unterschiedlichen Methoden, wie Bakterienanreicherung und Keimzahlbestimmung. Mit den Proben des Sonderprogramms 2018 wurden ausnahmslos Bakterienanreicherung und Keimzahlbestimmung (Nachweisgrenze 10 KbE/g (koloniebildende Einheiten pro Gramm Lebensmittel)) durchgeführt. Die Proben der Jahre 2010–2018 wurden zum Teil mit anderen Nachweisgrenzen (bedingt durch andere Verfahren) untersucht. Verdächtige Keime wurden anschließend bei Differenzierungs- und Bestätigungsuntersuchungen genauer identifiziert (siehe dazu den nachfolgenden Infokasten).

 

Analytische Untersuchung auf Listerien

Die im CVUAS durchgeführten Verfahren basieren auf der amtlichen Sammlung nach § 64 LFGB (Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel-Gesetzbuch) sowie DIN/ISO-Methoden.

Anreicherungsverfahren

Hierbei erfolgt eine qualitative Prüfung auf An- oder Abwesenheit von Listerien in einer bestimmten Menge eines Lebensmittels. 25 g des Lebensmittels werden in ein spezifisches Anreicherungsmedium verbracht und bebrütet, sodass sich eventuell vorhandene Listerien unter optimalen Bedingungen vermehren können. Als Befund ergibt sich die Aussage: „nachweisbar“ bzw. „nicht nachweisbar“. Hier werden auch Keime zur Vermehrung angeregt, die es unter „normalen Bedingungen“ (vielleicht) nicht mehr tun würden. Zusätzlich zur qualitativen Bestimmung kann eine Keimzählung zur quantitativen Keimzahlbestimmung erfolgen.

Keimzahlbestimmung

Dies sind verschiedene Verfahren zur Bestimmung von Art und Anzahl vermehrungsfähiger Listerien in einer bestimmten Menge eines Lebensmittels. Durch das Ausplattieren von Verdünnungsstufen (Tropfplattenverfahren) wird hier eine Nachweisgrenze von 100 KbE/g erreicht. Um im Bedarfsfall die Nachweisgrenze um den Faktor 10 zu senken, kann die Methode abgewandelt werden. Dabei wird eine größere Menge der Probe auf mehrere Agarplatten ausplattiert und die darauf gewachsenen Kolonien zusammengezählt.

Daneben kommen in Abhängigkeit von der Probe und dem Untersuchungsziel weitere Verfahren zum Einsatz, jeweils mit ihren methodenspezifischen Nachweisgrenzen. Dazu zählen z.B. das Spiralplaterverfahren und die Direktanzüchtung von Keimen auf geeigneten Nährmedien.

Differenzierung bzw. Bestätigungsuntersuchungen

Falls verdächtige Keime auftreten, werden diese mittels spezieller biochemischer, molekularbiologischer oder spektroskopischer Verfahren genauer identifiziert, um festzustellen, ob es sich z.B. um Listeria monocytogenes handelt.

 

Die Ergebnisse

In den insgesamt 81 untersuchten Proben wurden ausschließlich im Anreicherungsverfahren (qualitativer Nachweis in 25 g des Lebensmittels) bei 5 Proben (6,1 %) Listeria species (nachweislich nicht Listeria monocytogenes) bzw. bei 4 Proben (4,9 %) Listeria monocytogenes nachgewiesen. Keine der Proben stammte vom Hersteller, dessen Produkte im Zusammenhang mit den jüngsten Listeriose-Fällen gesehen werden.

Acht der neun positiven Proben wurden im Rahmen des Sonderprogramms 2018 untersucht (Tabelle 2). Speziell für dieses Untersuchungsprogramm belaufen sich die Ergebnisse folglich auf je 4 (9,75 %) Produkte mit Listeria species bzw. Listeria monocytogenes. Bei den Proben mit Listeria species handelt es sich um zwei Gemüsemischungen (davon ein Produkt mit Mais) und zwei sortenreine Produkte (Blattspinat und Karotten), die alle von einem deutschen Hersteller stammen. Bei den nachweislich mit Listeria monocytogenes kontaminierten Proben handelt es sich um vier Gemüsemischungen (3 hergestellt in Deutschland, davon zwei Produkte mit Mais) und einmal Okraschoten mit Tomaten (hergestellt in der Türkei).

 

Abb. 2: Wachstum von Listeria monocytogenes auf einer ALOA-Platte.

Abb. 2: Wachstum von Listeria monocytogenes auf einer ALOA-Platte

 

Tabelle 2. Untersuchung auf Listerien in Tiefkühlgemüse
Als Ergebnisse sind die Anzahlen (prozentualer Anteil) der nachgewiesenen Listerien im Anreicherungsverfahren bzw. in der Differenzierung angegeben. Die Auswertung erfolgte getrennt nach Proben der Jahre 2010–2018, Proben aus dem Sonderprogramm 2018 und den insgesamt untersuchten Proben (vgl. Tabelle 1).
 
Sonderprogramm 2018
2010–2018
Proben gesamt
Bakteriennachweis in Anreicherung  
Listeria species
8 (19,5 %)
1 (2,5 %)
9 (11 %)
Bakteriennachweis durch Differenzierung
Listeria species
4 (9,75 %)
1 (2,5 %)
5 (6,1 %)
Listeria monocytogenes
4 (9,75 %)
0 (0)
4 (4,9 %)

 

Bei allen Proben des Sonderprogramms 2018, bzw. beim Großteil aller untersuchten Proben, wurde zusätzlich zum qualitativen Nachweis eine Keimzahlbestimmung mit einer Nachweisgrenze von 10 KbE pro Gramm Lebensmittel durchgeführt. Hierbei waren bei keiner der Proben Listerien nachweisbar. Bei der einzigen positiven Probe der Jahre 2010–2018 war neben der Bakterienanreicherung (qualitativer Nachweis in 25 g) keine Keimzählung angeschlossen worden.

Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Mais in den Proben und dem Nachweis von Listeria monocytogenes war auf Grundlage der hier erhobenen Daten nicht herstellbar.

 

Warum Tiefkühlgemüse?

Es erscheint überraschend, dass es überhaupt durch den Verzehr von TK-Gemüse zu einer Infektion mit Listerien kommen kann. Ist doch davon auszugehen, dass dieses in der Regel vor dem Verzehr erhitzt und somit als „nicht-verzehrfertiges Lebensmittel“ angesehen wird.

Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 sind „verzehrfertige Lebensmittel“ solche, die vom Erzeuger oder Hersteller für den unmittelbaren Verzehr bestimmt sind, ohne dass eine Erhitzung/Verarbeitung zur Abtötung/Reduzierung der Mikroorganismen erforderlich ist.

Ein Erhitzungshinweis, wie er z.B. gewöhnlich bei rohem, abgepacktem Fleisch zu finden ist („Vor dem Verzehr ausreichend durcherhitzen!“) ist bei Tiefkühlgemüse die Ausnahme. Viele der bisher erfassten Erkrankungsfälle sind aber wohl darauf zurückzuführen, dass TK-Gemüse ohne vorherige Erhitzung gegessen wurde. Die bunten Gemüsestückchen werden z.B. als Dekoration für Salate verwendet. Tiefkühlgemüse sollte jedoch nie roh konsumiert werden. Unerwünschte Mikroorganismen werden durch einfrieren nicht vollständig abgetötet, so wie es nur das Kochen, Braten oder Pasteurisieren des Lebensmittels gewährleisten kann.

 

Fazit

Die Ergebnisse des Sonderprogramms 2018 und die Auswertung vergleichbarer Proben der Jahre 2010–2018 zeigen, dass Listerien in einem sehr geringen Anteil in Tiefkühlgemüse, welches in Baden-Württemberg in den Verkauf gebracht wurde, zu finden sind. Zudem konnten die potentiell krankmachenden Listeria monocytogenes nur im Anreichungsverfahren nachgewiesen werden. Bei acht von neun mit Listeria species bzw. monocytogenes betroffenen Proben wurde zudem eine Keimzählung mit einer Nachweisgrenze von 10 KbE/g durchgeführt. Hier waren keine Listerien nachweisbar. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Mais in den Proben und dem Nachweis von Listeria monocytogenes wurde nicht festgestellt. Dennoch ist vor allem der Risikogruppe der sehr jungen, alten oder immunsupprimierten Personen, sowie Schwangere, aus Gründen des vorsorglichen Verbraucherschutzes vom Rohverzehr von Tiefkühlgemüse abzuraten. Nur durch eine ausreichende Erhitzung werden potentiell krankmachende Keime abgetötet. Und bei diesen empfindlichen Personengruppen besteht im Falle einer Erkrankung das Risiko eines ernsthaften Infektionsverlaufes.

 

Quellen

[1] Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit: Listeria monocytogenes: Aktuelle Informationen zum lebensmittelbedingten Krankheitsausbruch; Stand: 22.11.2018

[2] Robert Koch-Institut: RKI-Ratgeber – Listeriose; Stand: 23.07.2015

[3] Robert Koch-Institut: Infektionsepidemiologisches Jahrbuch für 2016

[4] Robert Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 45/2018

[5] EFSA Panel on Biological Hazards 2018: Listeria monocytogenes contamination of ready-to-eat foods and the risk for human health in the EU. EFSA Journal published by John Wiley and Sons Ltd on behalf of European Food Safety Authority;16(1): 5134 doi: 10.2903/j.efsa.2018.5134

[6] Bundesinstitut für Risikobewertung: Merkblatt „Schutz vor Lebensmittelinfektionen mit Listerien“

 

Artikel erstmals erschienen am 19.12.2018